12.2.2023
Auf dem Prüfstand
Wo soll ich anfangen? Seit nun über drei Jahren habe ich das Gefühl, dass die Menschheit, insbesondere Europa und ganz besonders Deutschland auf dem universellen Prüfstand steht.
Wir werden mit allen Themen der letzten Jahrhunderte, womöglich der letzten Jahrtausende konfrontiert, um sie nochmals anzuschauen und endlich in einer kulturell und spirituell entwickelten Art und Weise zu integrieren und zu lösen.
Als ich im Jahr 1991 mein Abitur an einem Münchner Gymnasium machte, bekam ich im Fach Deutsch, das mein Colloquiumsfach war, neben Texten von Hans Magnus Enzensberger, Wolfgang Borchert, Stefan Zweig und Theodor Fontane eine Erzählung von Peter Härtling zur Vorbereitung. „Der spanische Soldat oder Finden und Erfinden“. Auf dem Titel der Textkopie aus Härtlings Frankfurter Poetik-Vorlesungen war die bekannte Fotografie abgedruckt, aufgenommen von Robert Capa im spanischen Bürgerkrieg, die einen fallenden Soldaten im Moment seines Todes zeigt. Damals hat mich sowohl das Foto selbst als auch der Text von Peter Härtling tief berührt; Härtlings innere und äußere Recherche nach demjenigen, der den Auslöser drückte und demjenigen, dessen Tod unmittelbar im Bild festgehalten wurde, seine Gedanken dazu und die Erzählung, die die beiden Akteure in ihren jeweiligen Rollen im Krieg letztendlich verbindet. Faszinierend auch die Person Robert Capa, ungarischer Jude, geboren als André Friedmann 1913 in Budapest. 1933 musste er vor den Nazis aus Deutschland flüchten. Eine Flucht, die ihn aufgrund seiner Berufung als Reporter in viele Kriege führte. Er kam 1954 im Indochinakrieg durch eine Mine ums Leben.
Mein Eindruck bis heute ist, dass sich meine Generation oder zumindest große Teile davon stark mit den Thema Krieg, vor allem natürlich dem 2. Weltkrieg auseinandergesetzt hat. Oder täuscht mich dieser Eindruck? War es nur unser Gymnasium, das so viel Wert auf „nie wieder“ und „wehret den Anfängen“ gelegt hat? Waren es nur meine Freunde und Klassenkameraden, die niemals eine Waffe in die Hand nehmen wollten? Oder war es doch nur ein kleiner Ausschnitt, der mir den Eindruck vermittelte, dass Lesen und Verstehen von Texten, kritisches Hinterfragen, das Erkennen von Mustern, gerade uns ganz besonders intensiv beigebracht wurde?
Es muss wohl so sein, denn wie könnten sich sonst eine Generation wie die unsere, deren Eltern und Großeltern noch vom letzten Krieg berichtet und die erlittenen Traumata sogar bis zu ihren Enkeln weitergegeben haben, die mit den Texten von Borchert, Brecht, Zweig, Feuchtwanger und den vielen anderen, die uns ihre Berichte, Eindrücke und Mahnungen hinterlassen haben aufgewachsen sind, eine Generation, die von Büchern wie George Orwells „1984“ oder Huxleys „Brave new world“, die von Filmen wie „Die weiße Rose“ oder „Die Welle“ berührt wurden, sich jetzt wieder für Krieg einsetzen? Sich verführen lassen von Propaganda, die zwar in etwas anderer Form und anderen Vorzeichen, aber doch immer wieder erkennbar zum Kampf des Guten und Richtigen gegen das Böse aufruft. Die an die moralische Pflicht appelliert, sich für das Gute einzusetzen, für die gerechte Sache, für die Freiheit – koste es, was es wolle, und sei es das eigene Leben oder das der Kinder.
Getrieben von Angst, Wut, Aggression durch nicht verarbeitete Themen, durch unsere eigenen Verletzungen, verfallen wir in Muster, die wir längst zurückgelassen haben sollten. Das 21. Jahrhundert ist kein Jahrhundert der Kriege. Es ist ein Jahrhundert des Friedens. Die Menschheit hat genug gekämpft. Frieden und Freiheit beginnt dort, wo wir aufhören zu kämpfen. Dass die Themen Krieg, Täuschung, Manipulation, Propaganda, Hetze, Hass und Vorurteile gerade bei uns jetzt nochmal an die Oberfläche kommen, ist systemisch gesehen „nur“ eine Wiederholungs-Schleife, die wir nochmals drehen müssen, weil wir immer noch nicht verstanden haben, dass und wie wir aus dem alten Muster ausbrechen können. Denn unbewusst stellen wir selbst die Situationen und Umstände unserer Verletzungen her, um erneut eine Chance zur Heilung zu haben. Aber dadurch verbleiben wir lediglich im gleichen Muster, das wir permanent wiederholen. Unsere Chance liegt darin, endlich das Muster der Wiederholung zu erkennen und unser Fühlen und Handeln bewusst zu verändern.
Unsere westliche Welt hat mit einer tiefen weltanschaulichen und kulturell verwurzelten Wunde zu kämpfen. Es ist die Wunde der Erbsünde, die dazu geführt hat, dass wir aus dem Paradies vertrieben wurden, abgetrennt von allem Göttlichen und hineingeworfen in eine feindliche Welt, in der das Leben ein Kampf gegen die harte, kalte Natur ist, der wir unsere Nahrung durch harte Arbeit und Entbehrungen abtrotzen müssen, in der wir in ständigem Mangel leben und natürlich gegen unsere menschlichen Feinde kämpfen müssen, die ständig danach trachten, uns das mühevoll Erarbeitete wegzunehmen. Schuld daran hat das Urweibliche, mit dem wir seither hadern, denn das hat uns dieses Schlamassel eingebrockt, weil Eva ja so unbedingt nach Erkenntnis streben musste.
Die Natur und unsere Erde verkörpern diese weibliche Urkraft. Dadurch wird auch unser derzeitiger Umgang mit der Erde und ihren Lebewesen verständlich, denn durch diese Prägung haben wir tatsächlich ein etwas gestörtes Verhältnis zu ebendiesen Kräften. Hinzu kommt, dass wir Bewusstsein, Erkenntnis und Selbstbestimmung – natürlich unbewusst– mit Leid und Schmerz verbinden, denn wenn wir darauf verzichtet hätten, könnten wir wunderbar unwissend noch immer im Paradies weilen. Dort werden wir durch unseren Ur-Fehler aber erst wieder am Tag des Jüngsten Gerichts eingelassen – und dann natürlich auch nur die Guten unter uns. So lautet die Verabredung, die die westliche Welt spürt und nach der sie handelt, völlig unabhängig, ob der Einzelne mit religiöser Erziehung aufgewachsen ist oder nicht. Diese Vorstellung ist wie ein Abdruck in unserer Vergangenheit, der vor allem die westliche Welt prägt.
Durch meine Beschäftigung mit der Traumatherapie und den Lehren der indigenen Völker habe ich erfahren, dass wir die Möglichkeit haben, solche Verabredungen, Verträge oder Absprachen umzuschreiben. Ich habe erfahren, dass es das grundsätzlich Böse nicht gibt, nur in den Herzen der Menschen, die urteilen, die ihre eigenen Geschichten und ihr eigenes Drama um Ereignisse herumkonstruieren, die ihnen widerfahren. Und die andere zu Akteuren in ihrem Drama machen und dadurch sie und sich selbst in eine ewige Spirale aus Täter, Opfer und Retter zwingen. Die negative Energie bleibt in jeder dieser Rollen dieselbe, die Rollen werden nur immer wieder getauscht. In diesem sog. „Dreieck der Ohnmacht/der Entmächtigung“ geben wir jegliche Macht über unsere eigene Bestimmung ab. Dieses Drama entsteht aus beengenden Glaubenssätzen heraus, die uns und anderen feste Rollen zuweisen. Aus diesen Standardrollen heraus agierend, halten wir ein ewig altes Drama am Laufen, das uns in Angst, Abwehr, Mangelgefühlen, Misstrauen, Neid und Konkurrenzdenken gefangen hält. Die Welt und Umwelt, sogar unsere Mitmenschen stellen sich dabei als feindlich dar und so sind wir permanent gezwungen, gegen das Böse zu kämpfen.
Aber es geht nicht um Gut und Böse, sondern nur darum, im Einklang und in Harmonie mit uns selbst, mit der Natur und allen Lebewesen zu sein. Ein erster Schritt auf diesem Weg zum Frieden ist, sich selbst nicht mehr zu ver- bzw. beurteilen. Das klingt zunächst etwas banal oder wie etwas, was uns schon zu oft gesagt wurde. Aber es ist eine Abenteuer- und Helden-Reise zu uns selbst, zu unseren Schatten, die wir furchtlos anschauen dürfen, sie ins Licht ziehen, unsere Verletzungen erkennen, akzeptieren und dann heilen dürfen.
Der stärkste Schutz für uns, sowohl innerlich als auch äußerlich, ist ein geheiltes Selbst.
Denn Freiheit beginnt dort, wo der Kampf endet.
Eva Rohrer
Ganzheitliches
Gesundheitszentrum
Sendlinger-Tor-Platz 10
80336 München
Tel 089 / 65 115 216
Ich verwende in meiner Heilpraxis Methoden der Alternativ- und Erfahrungsmedizin, die in vielen Fällen ausschließlich auf Erfahrung und Überlieferung beruhen und von der modernen Wissenschaft nicht belegt und anerkannt sind. Die Beschreibungen der Methoden auf dieser Seite dienen lediglich der Erklärung und stellen keinerlei Heil- oder Wirkversprechen dar.
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