Mai 2020

Vertrauen wir uns selbst?!


Diese für viele ver-rückte Zeit führt mich immer wieder zu einem zentralen Thema, das auch für meine Arbeit als Therapeutin eine entscheidende Rolle spielt. Eigenverantwortung. Aber wie kommen wir da hin?


Unseren Gefühlen, unserer Intuition und unserem gesunden Menschenverstand, über die wir alle naturgemäß verfügen, werden in unserer Zeit scheinbar unumstößliche Fakten, Daten und Zahlen gegenübergestellt, die keine andere Sichtweise zulassen. Unsere Gefühle und sogar unser gesunder Menschenverstand werden dadurch als nicht beweisbar, irrational und damit letztendlich als falsch abgeurteilt. Aber auch naturwissenschaftliche Erkenntnisse, die im Kontext von Modellen gewonnen wurden, sind nicht realer als die Dimensionen unseres Geistes, sagt Markus Gabriel, Professor für Erkenntnistheorie an der Universität Bonn. Wie wäre es mit etwas mehr (Selbst-)-Vertrauen in diese Dimension? In unser Selbst?


Die Lösung für die eigenen Probleme, seien sie physischer oder psychischer Art, ist zentral verbunden mit dem Thema Eigenverantwortung. Heilung kann von außen angestoßen und unterstützt werden, aber die Verantwortung liegt immer bei uns selbst. Wenn wir diese Verantwortung abgeben, kann die Heilung entweder gar nicht, nicht vollständig oder nicht dauerhaft funktionieren. Und schon gar nicht individuell.


Unsere Gesellschaft hat bisher leider grundsätzlich gelernt, die Verantwortung abzugeben, an ein vermeintlich wissenderes „Wesen“, sei es an den Staat oder einen Arzt/Heiler, nach dem Motto: „Mir geht es schlecht, da tut was weh, da fehlt was, gib mir was, damit es gut wird oder mach es einfach weg, ich weiß auch nicht was das ist, finde du es raus“. Dadurch haben wir verlernt auf unsere eigene Intuition zu hören, ja sogar verlernt, unsere Gefühle und Empfindungen überhaupt wahrzunehmen und zu identifizieren. Wir haben uns damit in eine selbstverschuldete Abhängigkeit und Unmündigkeit begeben. Und es haben sich Menschen und Systeme gefunden, und die werden sich immer finden, die bereit waren unsere Gefühle zu lenken, für uns zu denken und zu entscheiden.


Schon 1784 hat Immanuel Kant den Wahlspruch der Aufklärung geprägt: sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen. Er definierte die „selbstverschuldete Unmündigkeit“, als das Unvermögen, sich seines Verstandes, ohne die Leitung eines anderen zu bedienen. Und er beschrieb die Ursache des Selbstverschuldens als Mangel an Mut, und nicht als Mangel an Verstand.


Warum haben wir verlernt, auf uns selbst zu hören?

Eine Ursache ist meines Erachtens schon in unserer Kindheit zu suchen. Wenn Kinder sich das Knie aufschlagen, werden sie getröstet, oftmals mit Worten wie „ist nicht so schlimm, ist ja gar nichts passiert, das ist gleich vorbei, tut gar nicht mehr weh, oder?“, im schlimmeren Fall mit Sätzen wie „stell dich doch nicht so an“, „so ein kleiner Kratzer“, „ein Indianer kennt keinen Schmerz“. Oder sogar mit einer Süßigkeit, um den Schmerz zu betäuben. Diese „Tröstungsstrategien“ sind sehr verständlich, da wir natürlich unsere Kinder trösten und beschützen wollen und sollen, wir wollen nicht, dass sie weinen und Schmerz empfinden, wir wollen sie vor Unheil bewahren, weil wir das nämlich selbst nicht aushalten. Unsere Angst, dass wirklich etwas Schlimmes passiert sein könnte oder passieren wird, ist zu groß.

Aber das ist der springende Punkt. Das schmerzhafte Gefühl zuzulassen, auszuhalten, anzuerkennen, zu identifizieren und Worte dafür zu finden. Gefühle wollen von uns gefühlt und ernst genommen werden, auch die negativen, denn nur dann können wir sie überwinden bzw. im positiven Fall, uns durch sie nähren.


Kleinen Kindern müssen wir helfen, Worte für ihre Gefühle und Emotionen zu finden, damit sie in der Lage sind, sie zu fühlen, zu artikulieren und ernst zu nehmen. Das bedeutet, wir müssen diese Gefühle selbst erkennen, ernst nehmen, aushalten und uns authentisch zeigen; um bei meinem Beispiel zu bleiben: „oh, das hat ja ganz schön gekracht, da bist du wohl gerade richtig erschrocken, und ich sehe, dass es blutet, das brennt sicherlich, ich verstehe, dass das weh tut. Da fühlst du dich jetzt gerade vielleicht ein bisschen hilflos und zittrig. Vielleicht bist du auch wütend auf dich selbst. Es ist ganz normal, dass du jetzt weinst, ich bin für dich da und halte dich fest. Da wird dein Körper jetzt dann dafür sorgen, dass es wieder heilt, das kann der richtig gut…“


Es ist großartig zu sehen, wie Kinder - und nicht nur die - reagieren, wenn sie für ihre Gefühle entsprechende Worte bekommen. Sie fühlen sich ernst genommen und lernen, die eigenen Gefühle als richtig und angemessen wahr zu nehmen.


Dieses Erkennen und Anerkennen ist ein entscheidendes Instrument für uns Menschen, eine Ermächtigung über uns selbst. Ein Ausdruck unserer Mündigkeit und unseres Selbstwertes, unserer Ehrlichkeit mit uns selbst, unserer Authentizität. Wenn wir fähig sind, unsere eigene Position zu erkennen, die wir bezüglich der Umstände haben und selbst entscheiden dürfen, wie wir unsere Energien einsetzen, um die Umstände zu bewältigen, kommen wir zu einer Anerkennung unserer persönlichen Autorität. Wir sind dann Experten unserer selbst.


Wenn wir gelernt haben oder lernen, dass unsere Gefühle richtig sind, weil wir (als Experten für uns selbst) es sind, die sie fühlen, sind wir auch in der Lage für uns selbst Verantwortung zu übernehmen. Denn dann wissen wir auch, was uns für uns richtig und falsch ist, was uns guttut und was uns schadet. Dieses Richtig und Falsch kann aber natürlich für jeden ganz unterschiedlich gelten. Unsere Körper und unsere Psyche sind einzigartig, daher kann es keine Standardlösungen geben, die von außen kommen.


Unsere Gefühle zu identifizieren und zu benennen ist nicht immer leicht. Vor allem dann nicht, wenn wir es nie gelernt haben. Es ist mitunter auch schwierig zu unterscheiden, was die eigenen und was fremde Gefühle sind. Wir neigen dazu - manche von uns mehr, manche weniger - Gefühle von anderen zu übernehmen, sei es durch vorgelebte Verhaltensweisen in der Familie oder von anderen Bezugspersonen. Es bedarf daher eines genauen Hinschauens und Hinfühlens.


All diese Gedanken bringen mich zu dem Punkt, dass uns diese Zeit zu uns selbst zurück- bringen wird. Die „Krise“ birgt die Chance wieder mehr Verantwortung für uns selbst zu übernehmen. Die Komplexität unserer Welt und der Informationen ist so groß geworden, dass es für ein übergeordnetes System schlicht unmöglich geworden ist, die Verantwortung für jeden einzelnen von uns zu übernehmen. Ich plädiere dafür, dass wir in die Eigenverantwortung kommen. Dass jeder für sich selbst denken, fühlen und im Rahmen der größtmöglichen Freiheit für sich selbst entscheiden darf und muss.


Eigenverantwortung wird uns aber nicht von außen gegeben werden, wir müssen sie aus uns selbst heraus entwickeln und kultivieren. Wir müssen sie denen wieder abnehmen, denen wir sie zu lange und in zu großem Maß übertragen hatten. Dazu müssen wir uns selbst und andere ernst nehmen. Unterschiedliche Meinungen gelten lassen. Und vor allem müssen wir nach Innen lauschen. Die Lösung wird nicht von außen kommen, sie liegt in uns.  Seien wir mutig!

Eva Rohrer

Ganzheitliches

Gesundheitszentrum

Sendlinger-Tor-Platz 10

80336 München

Tel 089 / 65 115 216

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Ich verwende in meiner Heilpraxis Methoden der Alternativ- und Erfahrungsmedizin, die in vielen Fällen ausschließlich auf Erfahrung und Überlieferung beruhen und von der modernen Wissenschaft nicht belegt und anerkannt sind. Die Beschreibungen der Methoden auf dieser Seite dienen lediglich der Erklärung und stellen keinerlei Heil- oder Wirkversprechen dar.

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